Domain-Driven Design im Frontend: Warum die meisten Entwickler es falsch verstehen

DDD Frontend Mythen entlarvt: Der Unterschied zwischen Buzzword und echter Implementierung
Abstract
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Frontend-DDD oder Frontend im DDD: Wie Sie Domain-Driven Design richtig anwenden
Die Frontend-Entwicklergemeinschaft diskutiert zunehmend über Domain-Driven Design (DDD), doch dabei entstehen gefährliche Missverständnisse. Viele Entwickler verwenden DDD-Terminologie, ohne die fundamentalen Konzepte zu verstehen, was zu einer semantischen Verwässerung führt, die mehr schadet als nützt.
Was ist Domain-Driven Design wirklich?
Domain-Driven Design ist keine Architektur-Methode, die man isoliert im Frontend anwendet. Es handelt sich um eine umfassende Methodologie, die das gesamte Produkt und das Geschäftsverständnis in den Mittelpunkt stellt. Der Fokus liegt nicht auf technischen Frameworks oder Programmiersprachen, sondern auf der Geschäftslogik.
Die Grundprinzipien von DDD
Bei echter DDD-Implementierung stehen folgende Fragen im Vordergrund:
- Wie generiert Ihr Produkt Umsatz?
- Welchen Service kauft der Kunde wirklich?
- Welchen Wert bringt Ihr Produkt dem Kunden?
- Wie nutzen Kunden Ihr Produkt im Alltag?
- Welche Key Performance Indicators (KPIs) verfolgen Sie?
Der häufigste Fehler: Frontend-DDD als separate Disziplin
Warum Frontend kein separater Bounded Context ist
Ein fundamentaler Irrtum besteht darin, das Frontend als eigenständigen Bounded Context zu betrachten. Frontend sollte in der Regel nicht als separater Bounded Context betrachtet werden, da es meist technische Schichten, nicht Geschäftsbereiche repräsentiert.. Stattdessen fügt sich die Frontend-Schicht in die übergeordnete Context Map ein.
Bounded Contexts repräsentieren Geschäftsbereiche, nicht technische Schichten. Ein medizinisches Terminbuchungssystem könnte beispielsweise folgende Bounded Contexts haben:
- Terminsuche und -buchung
- Patientenverwaltung
- Abrechnungssystem
- Benachrichtigungsdienste
Jeder dieser Contexts kann sowohl Backend- als auch Frontend-Komponenten enthalten.
Das C4-Modell verstehen
Das C4-Modell unterscheidet zwischen verschiedenen Abstraktionsebenen der Softwarearchitektur, wobei Container (C2) deploybare Einheiten und Components (C3) logische Bausteine darstellen.
- C3 (Components): Definiert die wichtigsten strukturellen Bausteine und deren Interaktionen innerhalb von Containern.
- C2 (Containers): Deployment-Architektur - definiert deploybare Artefakte
Während Frontend und Backend oft separat deployed werden (C2), gehören sie funktional zu gemeinsamen Geschäftsmodulen (C3).
Strategic vs. Tactical DDD
Strategic DDD: Der Geschäftsfokus
Strategic DDD beschäftigt sich mit Geschäftsmechaniken und -möglichkeiten. Es unterteilt sich in:
Problem Space: Domains und Subdomains
- Domain: Der Geschäftsbereich (z.B. medizinische Versorgung)
- Subdomains: Teilbereiche wie Terminbuchung, Abrechnung, Kommunikation
Solution Space: Bounded Contexts
- Designentscheidungen zur Problemlösung
- Autonome Module mit klaren Grenzen
- Context Maps zur Darstellung von Abhängigkeiten
Tactical DDD: Die technische Umsetzung
Tactical DDD umfasst Implementierungspatterns wie:
- Entities: Geschäftsobjekte mit Identität
- Value Objects: Unveränderliche Datenwerte
- Aggregates: Konsistenzgrenzen für konkurrierende Operationen
- Repositories: Datenabstraktion
Wichtig: Diese Patterns machen im Frontend meist keinen Sinn, da Frontend-Code selten direkte Persistierung oder Transaktionen handhabt.
Ubiquitous Language: Der Schlüssel zum Erfolg
Kontextspezifische Terminologie
Ubiquitous Language ist nicht universell, sondern kontextspezifisch. Ein "Patient" kann in verschiedenen Bounded Contexts unterschiedliche Bedeutungen haben:
- Terminkontext: Jemand, der Ressourcen nutzt
- Abrechnungskontext: Jemand, der für Services bezahlt
- Empfehlungskontext: Jemand, der neue Kunden bringt
Diese semantischen Unterschiede rechtfertigen separate Datenmodelle anstatt eines universellen "Patient"-Modells.
Warum Monorepos nicht DDD sind
Der Autonomie-Paradox
Viele Entwickler verwechseln Code-Organisation in Monorepos mit DDD. Dabei verfolgen beide gegensätzliche Ziele:
- DDD: Maximiert Autonomie zwischen Bounded Contexts
- Monorepos: Erleichtern das Teilen von Code
Das übermäßige Teilen von Code kann die Autonomie reduzieren, da Abhängigkeiten zwischen Teams entstehen. Ein ausgewogenes Maß zwischen Wiederverwendung und Autonomie ist erforderlich.
Component Libraries: Das Hauptproblem
Component Libraries sind oft das größte Problem in großen Frontend-Systemen. Der häufigste Fehler: zu viel hineinpacken. Erfolgreiche Plattformen folgen dem "Thinnest Viable Platform"-Prinzip.
Wann ist es wirklich DDD?
Eric Evans' Definition kritisch betrachtet
Eric Evans nennt Ubiquitous Language und Bounded Contexts als Grundvoraussetzungen für DDD. Doch diese Definition wird oft missbraucht, um beliebige Code-Organisation als "DDD" zu labeln.
Echter DDD-Test:
- Haben Sie Domain-Experten im Team?
- Verstehen Sie die Geschäftskomplexität?
- Wurden Bounded Contexts basierend auf Geschäftslogik definiert?
- Wird DDD produktweit angewendet?
Die Realitätsprüfung
Bevor Sie "DDD im Frontend" implementieren, fragen Sie sich:
- Warum brauchen Sie DDD?
- Haben Sie eine komplexe Domäne?
- Wie würden Sie Bounded Contexts definieren?
- Was ist mit dem Rest des Systems?
Best Practices für Frontend in DDD-Umgebungen
Integration über Events, nicht State
Vermeiden Sie zentrale State-Management-Lösungen, die Module normalisieren. Integrieren Sie Module über Events, nicht über geteilten State, um Autonomie zu bewahren.
Fokus auf Geschäftsprozesse
Gestalten Sie UIs aufgabenbasiert, nicht CRUD-basiert. Die Benutzeroberfläche sollte Geschäftsprozesse widerspiegeln, nicht nur Datenstrukturen manipulieren.
Backend-Frontend-Kontrakte
Definieren Sie klare Kontrakte (DTOs) zwischen Frontend und Backend. Diese sollten bereits client-freundlich geformt sein, sodass Frontend-"Repositories" meist überflüssig werden.
Häufige Anti-Patterns vermeiden
Semantische Verwirrung
Verwenden Sie keine DDD-Terminologie ohne tiefes Verständnis. Begriffe wie "Repository" oder "Aggregate" im Frontend-Kontext führen meist zu Verwirrung ohne Mehrwert.
Vorzeitige Komplexität
DDD ist kein Setup, das man zu Projektbeginn implementiert. Es ist eine Reaktion auf bereits erkannte Geschäftskomplexität.
Technologie-fokussiertes Denken
Wenn der Fokus primär auf Frameworks, Sprachen oder Tools liegt, verliert man leicht den eigentlichen Zweck von DDD aus den Augen - die Modellierung der Geschäftsdomäne. Der Fokus muss auf dem Geschäft liegen.
Der Weg zum echten Verständnis
Geschäftsorientierung statt Buzzwords
Anstatt zu behaupten, "DDD zu machen", denken Sie in Begriffen wie:
- Geschäftsorientiert
- Geschäftszentriert
- Geschäftsausgerichtet
Kontinuierliches Lernen
DDD erfordert jahrelange Erfahrung, nicht nur theoretisches Wissen. Die Konzepte sind abstrakt und schwer in der Praxis umzusetzen.
Fazit: Qualität vor Quantität
Domain-Driven Design ist ein mächtiges Werkzeug in den Händen kompetenter Praktiker. In den falschen Händen wird es zu verschwendeter Zeit und Ressourcen. Bevor Sie DDD in Ihrem Frontend-Projekt implementieren, stellen Sie sicher, dass Sie die Geschäftskomplexität verstehen und echte Domain-Experten im Team haben.
Wahre Meisterschaft zeigt sich nicht in der Verwendung komplexer Terminologie, sondern in der Fähigkeit, komplexe Konzepte in einfachen, verständlichen Worten zu erklären. Verwenden Sie Fachbegriffe nur dann, wenn sie messbare Vorteile bringen.
FAQ
Kann man DDD ausschließlich im Frontend anwenden?
Nein, DDD ist eine produktweite Methodologie. Frontend allein kann kein DDD implementieren, da es Teil eines größeren Geschäftskontexts ist. DDD erfordert die Betrachtung des gesamten Systems inklusive Backend, Datenbank und Geschäftsprozesse.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für DDD-Implementierung?
DDD ist keine anfängliche Setup-Entscheidung, sondern eine Reaktion auf erkannte Geschäftskomplexität. Implementieren Sie DDD erst, wenn Sie verstehen, wo die schwierigen Teile Ihres Systems liegen und echte Domain-Experten verfügbar sind.
Warum funktionieren DDD-Patterns wie Aggregates nicht im Frontend?
Frontend-Code handhabt selten direkte Persistierung, Transaktionen oder Concurrency-Kontrolle. Aggregates sind Konsistenzgrenzen, die zusammengehörige Geschäftsobjekte gruppieren und Geschäftsregeln durchsetzen, oft in Verbindung mit Transaktionsgrenzen - ein Problem, das im Frontend normalerweise nicht existiert, da die Geschäftslogik auf dem Backend liegt.
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